Aspern zu Zeiten von COVID-19

Mai 2020

ein Bericht mit Kommentar

Zuerst Dank an Tim Berners-Lee und Alexander Graham Bell. Sie haben mir mit ihren Erfindungen (World Wide Web und Telefon) ermöglicht, die Krise bis jetzt bei – überwiegend – geistiger Gesundheit zu überstehen. Ich kann meinem Hobby (Studium der Philosophie) stundenlang frönen, Kontakt mit Familienmitgliedern halten, mit Bekannten und FreundInnen plaudern und Live Streams sehen. Das Einkaufen übernimmt – wie bei vielen Älteren – der Nachwuchs. Kurze Spaziergänge liebe ich, mein Mann geht unverdrossen joggen. Mein Resümee: Gott sei Dank (nicht als hohle Phrase, sondern aus Glauben gesprochen), sind wir vernunftbegabte Wesen, können Disziplin aufbringen und wissen, exzellente WissenschaftlerInnen arbeiten an unserer „Erlösung“ vom Virus.

Von welchen Erfahrungen berichten AspernerInnen, vor allem Mitglieder der Gemeinde St. Martin? Ein Wirtschaftstreibender, der sich natürlich Sorgen wegen der ausbleibenden Einnahmen macht, schaut trotzdem positiv in die Zukunft. Er hat in den vergangenen Wochen Kräfte sammeln können dank der Ruhe und der Zeit für die Familie. Er sagt sogar: „Das waren die drei schönsten Wochen meines Lebens.“

Ein Vater reflektiert mit subtilem Humor: „Die… Einschränkungen haben aus unserer Familie übers Wochenende… ein All-in-One System gemacht: Möglichst wenig Kontakt zur Außenwelt; Schule, Arbeit, Kochen, Essen, Freizeit, Beten, Gottesdienste – alles in einem Gehäuse. Das hat Vorteile: Energie wird eingespart, ..., der Output ist höher. Der Nachteil ist: So ein Kulturwechsel ist aufwendig und er vollzieht sich durch ‚Versuch und Irrtum‘. Vielleicht gelingt es uns, Positives in dieser aufgezwungenen Veränderung zu erkennen und für das weitere Leben fruchtbar zu machen.“ Das ist ein lobenswerter und vernünftiger Versuch, dem Unvermeidlichen soviel Gutes wie möglich abzuringen.

Ein fleißiger Student bestätigt meine eigene Erfahrung, dass das online Studium äußerst arbeitsintensiv ist, zusätzlich fließt ein Teil seiner Energie auch in pfarrliche Agenden. Er berichtet: „Auch wenn die Feier der Heiligen Woche mit dem Höhepunkt der Osternacht dieses Jahr nur im ‚Shutdown-Modus‘ ohne großen Kirchenputz, der großen Schar der Ministranten und ohne Orgelmusik stattfand, so erleben wir Zusammenhalt und Gemeinschaft mehr denn je.“

Eine (gute) Schülerin sieht das Homeschooling eher kritisch. Sie betont, dass bestehende Probleme noch verschärft werden. Die derzeitige Lernsituation verlangt SchülerInnen Eigenständigkeit und technische Fähigkeiten ab, wobei schon die Ausstattung mit Geräten nicht immer gegeben ist. Ferner meint sie, dass Ungewissheit und befürchteter Druck während der letzten Schulwochen belastend sind.

Die Rückmeldungen der älteren Menschen sind überwiegend positiv. In Telefonaten, die auch abklären sollten, wie es den SeniorInnen geht und ob zusätzliche Hilfe gebraucht wird, ergab sich ein erfreuliches Bild. Die Hilfsbereitschaft der jüngeren Verwandten ist enorm, sie übernehmen in den meisten Fällen den Einkauf und – wo das nicht möglich ist – springen freundliche NachbarInnen ein. Interessant sind Zitate wie „Das Leben ist intensiver geworden. Das Unterscheiden von ‚wichtig‘ und ‚weniger wichtig‘ ist für mich klarer und einfacher geworden.“ Anderen hilft die Abwesenheit von Verpflichtungen und Terminen. Telefonieren ist natürlich auch hier eine willkommene Alternative. Verständlicherweise gibt es vereinzelt schon Anzeichen depressiver Verstimmungen.

Die Freude über die Live Streams aus der Pfarre ist in der Altersgruppe der über 60jährigen besonders ausgeprägt. Sie fühlen sich wie zu Hause, wenn sie ihre Kirche und ihren Pfarrer sehen. Bei dieser Gelegenheit gleich ein großes Dankeschön an die beiden Technikexperten Christian Schweitzer und Albert Röder. Die Übertragungen werden aber von allen Generationen geschätzt. Ich darf wieder zitieren: „Wir haben auf der Couch vor‘m Laptop andächtig mitgefeiert... “. Hier sei auch gleich hinzugefügt, dass das Team der Pfarre und allen voran Pfarrer Georg Stockert tolle Arbeit leisten.

Wir sind schon in der neuen Normalität angelangt, haben damit aber noch wenig Erfahrung. Vielleicht wird die große Sehnsucht nach mehr Kontakt mit Menschen aus Fleisch und Blut gestillt. Vielleicht auch stellt sich bald wieder das Gefühl ein, Aspern ist so wie ganz Österreich doch eine Insel der Seligen: Ein guter Schlusssatz für ein Pfarrblatt.

Brigitta Mychalewicz

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